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Aktenkunde: Hilfsmittel

Um den Geschäftsgang eines Schriftstückes rekonstruieren zu können, ist man auf diverse Hilfsmittel angewiesen, wie zum Beispiel die Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsministerien, einen Aktenplan oder ein Paraphenverzeichnis. Diese Hilfsmittel dienen dazu, das Schriftstück in die allgemeine Tätigkeit der Behörde einzuordnen, Namenszeichen zu entziffern und damit den zuständigen Bearbeiter festzustellen sowie die Bearbeitungsschritte zu rekonstruieren. Im Folgenden werden einige Beispiele für Hilfsmittel aus den Beständen des Bundesarchivs präsentiert.

 

Geschäftsordnung

 

Das erste und wichtigste Hilfsmittel für die Aktenanalyse ist die für die jeweilige Behörde gültige Geschäftsordnung. Dabei gibt es auf Ebene der Reichsverwaltung unterschiedliche Geschäftsordnungen für die Reichsregierung, die Reichsministerien und die höheren Reichsbehörden.

Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsministerien (GGO) besteht aus dem Allgemeinen Teil (GGO I) und dem Besonderen Teil (GGO II).

Die GGO I regelt die äußeren Formen des Geschäftsganges in den Reichsministerien, insbesondere die Bearbeitung der Eingänge, die Behandlung der Reichsministerialsachen und den Dienstverkehr nach außen. Dazu gehören auch die zu verwendenden Schriftfarben und Geschäftsgangverfügungen. Mit dem Ziel, den Geschäftsgang der Reichsministerien zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und zu beschleunigen, wurde sie am 1. Januar 1927 in Kraft gesetzt. Die GGO I definiert nicht nur die Kompetenzen und Zuständigkeiten der am Geschäftsgang beteiligten Stellen, sondern auch die der Assistenzdienste wie Registratur und Kanzlei. Dafür enthält der Anhang Registratur- und Kanzleiordnungen, welche die Grundsätze der beiden Assistenzstellen regeln. Die GGO I schildert keine Standardabläufe, stattdessen liefert sie Richtlinien und stellt zugleich einen Vorrat an Instrumenten für die beschriebenen Aufgaben bereit.

Die GGO II regelt den Weg der Gesetzgebung vom Entwurf bis zur Verkündung. Sie wurde bereits am 1. August 1924 in Kraft gesetzt.

Eine Übertragung und Anpassung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien auf den nachgeordneten Bereich bietet die Gemeinsame Geschäftsordnung der höheren Reichsbehörden (GOH), die am 1. Oktober 1928 in Kraft trat. Ihr Anhang enthält ebenfalls eine Kanzleiordnung.

Noch vor Verabschiedung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien wurde ein Regelwerk zur Zusammenarbeit der Reichsministerien und der Reichskanzlei auf Regierungsebene erarbeitet, das am 3. Mai 1924 in Kraft trat: Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsregierung (GOR). In ihr werden die Stellung des Reichskanzlers, die Kompetenzen der Reichsminister und die gemeinsame Beschlussfassung innerhalb der Reichsregierung geregelt.

 

Aktenplan

 

Ein Aktenplan ist eine systematische, hierarchisch gegliederte Zusammenstellung der Aufgaben einer Institution in Form von Betreffen und zugehörigen Notationen, die als Ordnungsrahmen für das Registrieren und Ordnen von Dokumenten und die Bildung von Akten dient. Die hierarchische Gliederung der Betreffe erfolgt vom Allgemeinen zum Besonderen. Im Gegensatz zum Aktenverzeichnis dient der Aktenplan nur als Ordnungsrahmen und nicht dem Nachweis des tatsächlich vorhandenen Schriftgutes.

Um das Prinzip des Aktenplans besser nachvollziehen zu können, empfehlen wir einen Blick auf die Bestimmungen zur Einführung und Anwendung des Aktenplans der Reichsfinanzverwaltung, der zugleich einen guten Überblick über die Aktenordnung im Finanzbereich gibt.

 

Journal / Tagebuch

 

Ein Tagebuch ist ein analog oder elektronisch geführtes Verzeichnis, in dem die Registratur eingegangene Schreiben sowie eventuell einzelne Stationen ihres Verbleibs und ihrer Bearbeitung in chronologischer Folge festhält. Das Tagebuch wird auch als Geschäftstagebuch, Journal, Diarium und Registrande bezeichnet.

 

Organigramm

 

Ein Organigramm oder Organisationsplan bietet eine grafische Darstellung des Aufbaus und der Struktur einer Behörde. Der Organisationsplan bildet alle Organisationseinheiten ab und macht die Hierarchien und Beziehungen der Einheiten zueinander sichtbar. Er enthält in der Regel auch vereinfachte Angaben zu den Aufgaben und zur Leitung der Organisationseinheiten.

 

Verordnungen zum Geschäftsgang, Organisationserlasse

 

Verordnungen über die Geschäftsabläufe, Organisationserlasse verschiedener Ministerien und ähnliches ergänzen oder passen die von der GGO I vorgeschriebenen Abläufe an die Bedürfnisse des jeweiligen Ministeriums an, weisen auf bestimmte Regelungen hin oder geben Änderung im Organisationsaufbau oder -ablauf bekannt. Hierzu einige Beispiele:

 

Geschäftsverteilungsplan

 

Ein Geschäftsverteilungsplan ist eine detaillierte Aufstellung über die Aufgaben innerhalb einer Behörde sowie ihre Verteilung und Zuordnung an bestimmte Stellen oder Positionen. Der Geschäftsverteilungsplan wird ebenso wie die Geschäftsordnung von der Verwaltung, für die er gilt, selbst erstellt und eventuell bei einer vorgesetzten Stelle genehmigt.

 

Paraphenverzeichnis

 

Ein Paraphenverzeichnis ist eine zu einem bestimmten Stichtag angelegte, alphabetisch gegliederte Aufstellung von Vor-und Nachnamen, Vollunterschriften und Paraphen in einer Behörde. Häufig wird das Namenszeichen gleich bei Eintritt in eine Behörde ins Paraphenverzeichnis aufgenommen.

Die leider viel zu selten überlieferten Paraphenverzeichnisse helfen, den zuständigen Bearbeiter festzustellen.

 

Beamtenverzeichnis oder Namentliche Verfügungen und Umläufe

 

Sollte ein Paraphenverzeichnis nicht vorhanden sein, können Beamtenverzeichnisse oder Namentliche Verfügungen und Umläufe hinzugezogen werden, um den zuständigen Bearbeiter festzustellen.

Beamtenverzeichnis: vorausschauend angelegte, alphabetisch gegliederte Aufstellung von Namen, Amtsbezeichnungen und Abteilungen von Mitarbeitern in einer Behörde.

Namentlicher Umlauf: Dokument, das von einer Person zur anderen gereicht wird, bis alle es zur Kenntnis genommen haben. Die Kenntnisnahme wird mit Datum und Paraphe bestätigt.

 

Telefon- und Anschriftenverzeichnis

 

Viele für die Aktenanalyse hilfreiche Informationen enthalten auch Telefon- und Anschriftenverzeichnisse. Neben den üblichen Angaben wie Name, Telefonnummer und/oder Adresse enthalten sie oft zusätzliche Hinweise auf Abteilungen und deren kriegsbedingte Verlagerungen sowie Amtsbezeichnungen von Einzelpersonen. Je nach Detaillierungsgrad können sie somit Organigramm und Beamtenverzeichnis zum Teil ersetzen.

 

Ausgewählte Literatur zur Aktenkunde

 

Holger Berwinkel/Robert Kretzschmar/Karsten Uhde (Hrsg.): Moderne Aktenkunde, (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Hochschule für Archivwissenschaft Nr. 64) Marburg 2016.

Michael Hochedlinger: Aktenkunde. Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, Wien/Köln/Weimar 2009.

Jürgen Kloosterhuis: Aktenkunde. Ein Hilfswissenschaftliches Kompendium, in: Archiv für Diplomatik 45 (1999), S. 465-563.

Gerhard Schmid: Aktenkunde des Staates, 2 Teile, als Manuskript gedruckt, Potsdam 1959.

Adolph Brenneke/Wolfgang Leesch: Archivkunde. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte des europäischen Archivwesens, bearb. nach Vorlesungsnachschriften und Nachlasspapieren und ergänzt von Wolfgang Leesch, Leipzig 1953.

Heinrich Otto Meisner: Aktenkunde. Ein Handbuch für Archivbenutzer mit besonderer Berücksichtigung Brandenburg-Preußens, Berlin 1935.