1 Aufbau der Verwaltung
1.1 Organisationsformen
Das ursprünglich in deutschen Behörden der Neuzeit herrschende Kollegialprinzip, wonach Entscheidungen in Kollegien getroffen wurden, die mehrere gleichberechtigte Personen umfassten, wurde schon im 19. Jahrhundert zunehmend zurückgedrängt und war in der NS-Zeit (wie auch heute) nur noch bei Gerichten üblich. Stattdessen herrschte eine monokratische Organisationsform vor, bei der die nach außen gerichtete Entscheidungsgewalt einer Behörde nur ihrem alleinigen Leiter zustand. Deshalb lautete die Behördenbezeichnung beispielsweise i.d.R. „Der Reichsminister der Finanzen“ und nicht „Das Reichsfinanzministerium“. Der Leiter war letzten Endes für alle Entscheidungen seiner Behörde verantwortlich. Trotzdem konnte er selbstverständlich nicht alles alleine entscheiden und ausführen, weshalb er einzelne Sachgebiete an Mitarbeiter (Dezernenten, Referenten, Referatsleiter) delegierte, die aber ausschließlich in seinem Auftrag handelten. Sprachlich kam dies durch die Verwendung des objektiven Stils oder des Ich-Stils zum Ausdruck (während zu Zeiten der Kollegien der Wir-Stil verbreitet war).
1.2 Dreistufiger Verwaltungsaufbau
Grundsätzlich folgte die deutsche Verwaltung damals wie heute einem streng hierarchisch gestuften drei- bzw. viergliedrigen Verwaltungssystem, an dessen Spitze Fachministerien standen. Innerhalb der im Kabinett vereinigten Ministerien besaß der Kanzler zwar die Richtlinienkompetenz, die einzelnen Minister verwalteten aber eigenverantwortlich ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich, der sich auch immer auf die entsprechenden fachlich zugehörigen Behörden, den sog. nachgeordneten Bereich, erstreckte (Ressortprinzip). Dabei herrschte im Sinne der Gewaltenteilung eine strikte Trennung zwischen Justiz und Verwaltung.
Innerhalb der Verwaltung gab es drei bzw. vier Ebenen:
- Auf der ersten Stufe stand die für das gesamte Staatsgebiet zuständige Verwaltung: die Obersten Behörden, die keiner anderen Behörde unterstanden (z.B. Ministerien, Rechnungshof, usw.), und die einem Ministerium unterstehenden Oberen Behörden.
- Auf der zweiten Stufe befanden sich die Mittleren Behörden mit regionaler Zuständigkeit, die in der Regel den regionalen Unterbau der zentralen Reichsverwaltung bildeten. Allerdings gab es diesen Unterbau nicht in allen Bereichen. Intensiv ausgebaut war er hingegen in den Bereichen Finanzen (z.B. Oberfinanzdirektionen), Post und Eisenbahn.
- Bei den mit lokaler Zuständigkeit ausgestatteten Unteren Behörden auf der dritten Stufe handelte es sich beispielsweise um (Haupt-)Zollämter oder Postämter. Allerdings wurden diese Aufgaben zum Teil auch auf Länder oder Kommunalbehörden oder auch auf Anstalten des öffentlichen Rechtes übertragen.
1.3 Staatsverwaltung und Selbstverwaltung
Sofern öffentliche Aufgaben vornehmlich von eigenen Organen des Staates, also Reichs- oder Landesbehörden wahrgenommen werden, nennt man dies Staatsverwaltung. Nur in wenigen Bereichen, etwa bei den Finanzen, reichte die unmittelbare Reichsverwaltung mit einer eigenen Behördenorganisation bis auf die unterste Verwaltungsebene hinab. Tatsächlich wurden staatliche Aufgaben auf der untersten Ebene häufig auf Kommunen (Kreise, Städte und Gemeinden) übertragen (Kommunalverwaltung), die diese dann neben ihren eigenen kommunalen Aufgaben (Selbstverwaltung) erledigten. Dies traf beispielsweise regelmäßig auf Landräte zu, die sowohl staatliche als auch kommunale Tätigkeiten wahrnahmen. Neben der unmittelbaren gab es auch die mittelbare Reichsverwaltung, bei der die Erfüllung staatlicher Aufgaben auf reichsunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts übertragen wurde, etwa bei der Arbeitsverwaltung.
1.4 Bedienstete (Öffentlicher Dienst)
Die staatlichen Aufgaben wurden und werden von Bediensteten im öffentlichen Dienst ausgeführt. Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Berufsbeamten einerseits und den mit privatrechtlichen Dienstverträgen ausgestatteten Angestellten und Arbeitern andererseits.
Beamte nehmen hoheitliche, d.h. aus der Staatsgewalt abgeleitete und etwa durch Gesetze zugewiesene öffentliche Aufgaben wahr und stehen in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Der Beamte legt einen Eid auf die Verfassung ab und wird ernannt; dabei wird ihm ein Amt – nach Bestehen der Probezeit auf Lebenszeit – übertragen. Während Angestellte und Arbeiter nach den zwischen den Interessenvertretern ausgehandelten Tarifverträgen bezahlt werden, wird die Besoldung der Beamten von Gesetzes wegen beschlossen und stellt eine Alimentierung für einen amtsangemessenen Lebenswandel dar.
Bei Beamten gibt es zahlreiche verschiedene Dienstränge, die sich je nach Ausbildung/Studium und Verantwortung in vier Laufbahnen unterteilen lassen: Als unterste Laufbahn den einfachen Dienst, dann den mittleren und gehobenen Dienst sowie auf Leitungsebene den höheren Dienst. Rang und Gehaltsstufe sind dabei mit einer Amtsbezeichnung verbunden, die durch einen entsprechenden Zusatz häufig auch Rückschlüsse auf die Fachrichtung oder den Dienstherrn erlaubt. Beispiele dafür sind die Dienstbezeichnungen Regierungssekretärin (für den normalen Verwaltungsdienst), Zollinspektor (beim Zoll), Kriminalrat (bei der Kriminalpolizei) oder Reichsbahndirektor (bei der Reichsbahn). Die Amtsbezeichnungen für Beamte sind den Diensträngen bei Wehrmacht, Polizei und SS vergleichbar.
1.5 Behördenaufbau
Deutsche Behörden sind strikt hierarchisch aufgebaut. An der Spitze steht ein Leiter, der je nach Behörde auch als Minister oder Präsident oder Direktor bezeichnet werden kann. Darunter gliedert sich die Behörde normalerweise in Abteilungen (manchmal auch Haupt- und Unterabteilungen) und innerhalb der Abteilungen nochmals in Referate.
Diese Behördenorganisation lässt sich in Organigrammen oder Organisationsplänen auch gut graphisch darstellen. Sehr viel genauere Auskunft über die Namen aller Mitarbeiter und einzelne Sonderbeauftragungen gibt der Geschäftsverteilungsplan.
-> Vgl. dazu die als Beispiele unter Hilfsmittel vorgestellten Dokumente Aktenkunde: Hilfsmittel
1.6 Traditionelle rechtsstaatliche Verwaltungsprinzipien
- Schriftlichkeit: Stand und Entwicklung einer Sache soll aus den Akten nachvollziehbar sein.
- Gesetzmäßigkeit: Staatliches (Verwaltungs-)Handeln muss immer in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht (Verfassung, Gesetze, sonstige Rechtsvorschriften) erfolgen.
- Verhältnismäßigkeit: Staatliches Handeln muss widerstreitende Interessen und Freiheiten zu einem schonenden Ausgleich bringen, jeder Eingriff muss in einem angemessenen Verhältnis zu Zweck und Erforderlichkeit stehen.
- Gleichbehandlung: Verwaltung sollte gleiche Sachverhalte gleich bewerten.
2 Staatsaufbau der Weimarer Republik, Verhältnis Reich – Länder
2.1 Deutsches Reich
o Staatsform: parlamentarische Republik
o Föderalistischer Bundesstaat, in dem die Staatsgewalt auf Bund und Gliedstaaten verteilt war (häufig konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen), wobei die Rechte der Länder im Vergleich zu der Verfassung von 1871 gemindert waren (Reichsfinanzverwaltung wurde geschaffen, Eisenbahnen in die Deutsche Reichsbahngesellschaft überführt, Heerwesen ausschließlich Reichsangelegenheit)
o Reichstag: repräsentierte das deutsche Volk; wahlberechtigt: alle über 20 Jahre alten Deutschen, in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl
o Reichsrat: Vertretung der Länder, nur Vetorecht, das vom Reichstag mit 2/3-Mehrheit überstimmt oder durch Volksentscheide entkräftet werden konnte
o Reichspräsident (vom Volk auf 7 Jahre gewählt) an der Spitze des Staates: vertrat Reich völkerrechtlich, ernannte Reichsbeamte, Oberbefehlshaber der Reichswehr, konnte Reichstag auflösen und in Notfällen auf Grund des Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung Notverordnungen erlassen
o Reichsregierung: Reichskanzler mit den Reichsministern (Kabinett)
o Oberste Reichsbehörden:
- Reichskanzlei
- Auswärtiges Amt
- Reichsministerium des Innern
- Reichsjustizministerium
- Reichsfinanzministerium
- Reichswirtschaftsministerium
- Reichsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Reichsarbeitsministerium
- Reichspostministerium
- Reichsverkehrsministerium
- Reichswehrministerium
Andere oberste Reichsbehörden
- Rechnungshof des Deutschen Reiches
- Reichsschuldenkommission
- Reichsbank (nicht immer unabhängig)
o Nachgeordnet: Oberbehörden. Reichsunmittelbare Verwaltung bis auf die untere Ebene im Bereich Heer, Eisenbahnverwaltung, Reichswasserstraßenverwaltung, Reichsfinanzverwaltung (Steuer, Zoll, Bau, Versorgung), Reichsversorgung, Reichspost, z.T. auch Arbeitsverwaltung
o Gerichtsverfassung:
- Ordentliche Gerichtsbarkeit mit Zivilgerichtsbarkeit, Strafgerichtsbarkeit und freiwilliger Gerichtsbarkeit
- Gerichtsorganisation: Amtsgericht, Landgericht (LG), Oberlandesgericht (OLG)
- Sonder- oder Spezialgerichtsbarkeit, z.B. Finanzgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit
- Reichsgericht in Leipzig als oberstes Gericht, das auch als Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich (Streitigkeiten der Länder untereinander) zusammentrat
o Archivierung der schriftlichen Überlieferung der Reichsinstitutionen:
- Reichsarchiv: 1919 gegründet als Auffanginstitution für die Überlieferung der vielen aufgelösten militärischen und kriegswirtschaftlichen Institutionen und zuständig für die obersten und oberen Behörden des Reiches; Vorläufer des Bundesarchivs.
- Die mittleren und unteren Ebenen der Reichsverwaltung wurden und werden aufgrund ihres regionalen Charakters in den Staatsarchiven der Länder archiviert.
2.2 Länder im Deutschen Reich
- Nach Zusammenlegungen ab 1929: 17 verschiedene Länder
- Die Länder hatten eigene Staatsorgane, eigene Verfassungen und eigene Regierungen.
- Sehr starke Größenunterschiede zwischen den Ländern (Lübeck als kleinstes Land, Preußen als größtes, das alleine zwei Drittel des Reichsterritoriums sowie drei Fünftel der Reichsbevölkerung umfasste) und entsprechende Verwaltungsunterschiede
- Das Land Preußen gliederte sich in Provinzen, an deren Spitze jeweils ein Oberpräsident stand, Regierungsbezirke unter Leitung von Regierungspräsidenten und Kreise. Der Landrat stellte auf Kreisebene die unterste staatliche Verwaltung dar. Auf der kommunalen Verwaltungsebene gab es Kreise (mit Kreistag und Kreisausschuss), Städte und Gemeinden.
3 Veränderungen in der Reichsverwaltung nach 1933
3.1 Änderungen im Verhältnis von Reich und Ländern
Bereits im Frühjahr 1933 wurden durch die beiden Gesetze zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich (31.3.1933 bzw. 7.4.1933) die Zusammensetzung der Länderparlamente an das Ergebnis der Reichstagswahl vom 5.3.1933 angepasst und Verwaltungsbefugnisse der Länder auf das Reich überführt. In allen Ländern (bis auf Preußen) wurden direkte Beauftragte des Reichskanzlers mit diktatorischen Befugnissen eingesetzt (Reichsstatthalter). Sie waren den Länderregierungen übergeordnet und konnten Staatsbeamte und Richter ernennen und entlassen und hatten auch das Recht, Landesgesetze auszufertigen und zu verkünden. Es gab aber weiterhin Länderregierungen mit einem Innen-, Kultus-, Finanz- und u.U. Wirtschaftsministerium, obwohl die Länder ihre Selbständigkeit weitgehend verloren hatten.
1934 wurde der größte Teil des preußischen Verwaltungsapparates mit der Reichsverwaltung zusammengeschlossen. Bis auf das Staatsministerium und das Finanzministerium, das wegen der Beteiligung von Popitz am 20. Juli 1944 seine Unabhängigkeit verlor, wurden die Reichs- und Preußischen Ministerien vereinigt (Bezeichnung „Reichs- und Preußisches Ministerium für“ …), Doppelbezeichnung bis 1938 abgeschafft (-> Anschluss Österreichs), einige Doppelbezeichnungen bereits früher (z.B. ab 1936 nur noch Reichsjustizministerium).
3.2 Änderungen in der Reichsverwaltung
Die Verwaltungstätigkeit nahm bis zur Mitte des Zweiten Weltkriegs insbesondere auf zentraler Ebene ständig zu. Es kam zur Schaffung von eigenständigen obersten Reichsbehörden für bisher als nachrangig behandelte Aufgaben. Ein weiterer Aufgabenzuwachs ergab sich aus der Überführung von Kompetenzen auf das Reich, die in der föderalen Verwaltung den Ländern vorbehalten gewesen waren.
a) Neubildung von Ministerien/obersten Reichsbehörden („Klassische“ Form):
- 1933: Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
- 1933: Reichministerium der Luftfahrt
- 1934: Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung
- 1934: Hans Frank als Reichsminister ohne Geschäftsbereich (praktisch jedoch für Justizreform)
- 1934: Reichsforstamt (aus dem RMEL ausgegliedert mit Göring als Reichsforstmeister und Reichsjägermeister an der Spitze)
- 1935: Reichsstelle für Raumordnung
- 1935: Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten
- 1938: Aufgaben des Reichskriegsministeriums vom OKW übernommen, Hitler wird Oberbefehlshaber der Wehrmacht
- 1940: Reichsministerium für Bewaffnung und Munition/1943 umbenannt in Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion
- 1941: Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
b) Sonderbeauftragte: Für Aufgaben, die im Interesse Hitlers standen oder die von besonderer politischer Dringlichkeit waren, wurden Sonderbeauftragte berufen, die unabhängig von den Reichsbehörden, deren Kompetenzen formal gewahrt blieben, agieren konnten. Sie erhielten eigene finanzielle Mittel und bauten sich einen eigenen Verwaltungsapparat auf. Zudem konnten sie sich auf das Vertrauen des Führers stützen. Beispielsweise:
- Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen (1933) Fritz Todt: Zur Durchführung seiner Bauaufgaben baute er die Organisation Todt auf (Nachfolger 1942 nach seinem Unfalltod: Albert Speer)
- Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (1937) Albert Speer
c) Neubildung von Institutionen:
o Zentralinstanzen:
- Beauftragter für den Vierjahresplan [-> Wirtschaftslenkung, Autarkie], dem Reichskommissare und Generalbevollmächtigte unterstanden
- Ministerrat für die Reichsverteidigung (Lammers (Chef der Reichskanzlei), Funk (RMWi), Frick (RMdI), Keitel (Chef OKW), Hess (Chef NSDAP)): übernahm im Krieg im Wesentlichen die Regierungsgeschäfte
- Beauftragter für den totalen Krieg (Goebbels)
o Mittelinstanzen:
- Innerhalb des Reiches: Reichsstatthalter
- In den eingegliederten Gebieten: Reichskommissariat (Saarland), Reichsgaue (Österreich, eingegliederte Ostgebiete)
Die Reichsgaue waren mit den Parteigauen oft flächenidentisch. Reichsstatthalter und Gauleiter waren ebenfalls meist identisch, so dass ihnen sowohl die staatliche Verwaltung (mit Regierungsbezirken), die Gauselbstverwaltung (mit Gauhauptmännern) und die regionalen und lokalen NSDAP-Dienststellen unterstanden. -> typische Verquickung von staatlichen Ämtern und Parteiämtern durch Personalunion
o Polizei:
- Nach der Machtergreifung Ausbau und Verselbständigung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) für politische Angelegenheiten
- 1936 „Verreichlichung“ und Gleichschaltung der Polizei, RFSS Himmler wird Chef der Deutschen Polizei; Untergliederung in
a) Ordnungspolizei zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit und
b) Sicherheitspolizei (u.a. Gestapo, Kripo) zur Erforschung strafbarer Handlungen
- 1939 Errichtung des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) durch Zusammenlegung von Sicherheitspolizei (Sipo) und Sicherheitsdienst (SD) der NSDAP, enge Verbindung von SS und Polizei.
o Justiz, Gerichte:
- Keine grundsätzliche Änderung der Gerichtsverfassung, aber zunehmende politische Einflussnahme auf die Gerichte.
- 1934 Gründung des Volksgerichtshofs als oberstem Gericht für Hoch- und Landesverrat und (im Krieg) Wehrkraftzersetzung, soweit er nicht in minderschweren Fällen die Verfahren den OLG zusprach.
- Sondergerichte im Bereich der Strafgerichtsbarkeit für Vergehen politischer Art (die kein Landesverrat waren) zunächst bei den OLG, später auch bei fast allen LG
- Spezialgerichtsbarkeit in der NS-Zeit: a) Erbgesundheitsgerichte; b) Anerbengerichte (bei den Amtsgerichten), Landeserbhofgerichte, Reichserbhofgericht in Celle; c) Reichsverwaltungsgericht in Berlin (1941 eingerichtet); d) Kriegsgerichtsbarkeit
- Hitler als oberster Gerichtsherr (1942)
Auch im nichtstaatlichen Bereich (Selbstverwaltung) staatliche Eingriffe, Gleichschaltung und Zwangsmitgliedschaft:
o Wirtschaft:
a. Fachliche Gliederung: die Verbände wurden zwangsweise zur Organisation der Gewerblichen Wirtschaft zusammengeschlossen:
- Reichsgruppen
- Wirtschaftsgruppen
- Fachgruppen
- Fachuntergruppen
b. Regionale Gliederung:
- Reichswirtschaftskammer
- Gauwirtschaftskammern
- Wirtschaftskammern oder Industrie- und Handelskammern
o Kultur und freie Berufe:
Reichskulturkammer, Reichsschrifttumskammer, Reichstheaterkammer, Reichsmusikkammer, Reichskammer der bildenden Künste, Reichsfilmkammer, Reichspressekammer, Reichsrundfunkkammer (1937 aufgelöst)
d) Neue Verfahren der Gesetzgebung:
- Entmachtung des Reichstags: Am 5. März 1933 letzte Reichstagswahl, bei der sich mehr als eine Partei zur Wahl stellte. Durch das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 trat der Reichstag seine Gesetzgebungskompetenzen faktisch an die Reichsregierung (Kabinett Hitler) ab; ab Juli 1933 NSDAP als einzige Fraktion.
- Reichsregierung: Zahl und Bedeutung der Kabinettsitzungen ging stark zurück, da dort weder fachliche Diskussion noch gemeinsame Beschlussfassung mehr stattfand; letzte Sitzung am 5. Februar 1938.
- Kommunikation Hitlers mit den Ministern direkt oder indirekt über die Leiter von Reichskanzlei (Hans Heinrich Lammers) oder Parteikanzlei (bis 1941: Stab des Stellvertreters des Führers)(Martin Bormann), die aufgrund des direkten Zugangs zu Hitler besondere Bedeutung bekamen. Gesetzgebungsvorhaben meist in Chef- und Ressortbesprechungen bzw. in interministeriellen Schriftwechseln bei Koordinierung durch die Reichskanzlei (im sog. Umlaufverfahren) verhandelt.
- Führererlass: Eine Anordnung von Führer und Reichskanzler Adolf Hitler ohne Mitwirkung eines anderen Verfassungsorgans, die für alle Behörden und alle deutschen Staatsangehörigen unmittelbar Gesetzeskraft hatte.
3.3 Territoriale Veränderungen: Ein- und Angliederungen sowie besetzte Gebiete
a. Eingliederungen:
Vor Kriegsbeginn erweiterte Hitler das Territorium des Deutschen Reiches 1935 durch Eingliederung des Saarlandes nach entsprechender Volksabstimmung, 1938 durch den Anschluss Österreichs und die Besetzung des Sudetenlandes.
Nach Kriegsbeginn wurden Teile des besiegten Polens in das Deutsche Reich integriert (v.a. die Reichsgaue Danzig-Westpreußen und Wartheland, Ostoberschlesien).
b. Als „Nebenländer“ dem Reich „angegliedert“:
Das Protektorat Böhmen und Mähren und das Generalgouvernement wurden dem Reich 1939 als „Nebenländer“ „angegliedert“, deren Regierung bzw. Verwaltung direkt Hitler unterstellt war.
c. Angegliederte Gebiete:
Folgende vom Reich besetzten Territorien waren ebenfalls für die Angliederung vorgesehen: Luxemburg, Lothringen, Elsaß, Oberkrain-Krain, Südsteiermark und Bialystok; 1943 auch die Operationszonen Alpenvorland und Adriatisches Küstenland. An ihrer Spitze stand jeweils ein Chef der Zivilverwaltung (CdZ), der dem Führer unmittelbar unterstand und regelmäßig zugleich Gauleiter im angrenzenden Reichsgebiet war.
d. Besetzte Gebiete:
Länder, deren Annexion nicht oder nicht offen vorgesehen war, wurden ganz unterschiedlich verwaltet: von Militärbefehlshabern (z.B. Serbien, Griechenland, Frankreich, Belgien), von zivilen Reichskommissaren (z.B. Norwegen, Niederlande, Baltikum, Ukraine) oder Bevollmächtigten (z.B. Dänemark, Ungarn, Kroatien).
Siehe dazu ausführlich die Liste der verschiedenen territorialen Veränderungen:
3.4 Militär
Reichswehrminister, 1919 eingesetzt, übte den Oberbefehl über alle Teile der Reichswehr (Reichsheer, Reichsmarine) aus.
Wehrgesetz vom 21.5.1935: Umbenennung Reichswehrminister in Reichskriegsminister. Ihm stand seit 1929 als Arbeitsstab das Ministeramt, ab 1934 Wehrmachtamt genannt, zur Verfügung
Heer:
An der Spitze: Chef der Heeresleitung, der auch gleichzeitig Aufgaben eines Generalinspekteurs der Truppen wahrnahm. Er erhielt am 1.6.1935 die Bezeichnung Oberbefehlshaber des Heeres (ObdH). Seine Dienststelle hieß ab 11.1.1936 Oberkommando des Heeres (OKH) und gliederte sich in den Generalstab des Heeres und vier Ämter (Heerespersonalamt, Heeresverwaltungsamt, Allgemeines Heeresamt, Heereswaffenamt). Am 19.12.1941 übernahm Hitler den Oberbefehl über das Heer.
Marine:
1919 Admiralität (als Spitzenbehörde), 15.9.1920 in Marineleitung (ML), zum 1.6.1935 in Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) umbenannt.
Luftwaffe:
Verbot jeder militärischen Luftfahrt im Versailler Vertrag wurde schon bald missachtet. Aufbau der Luftwaffe betrieb Göring ab 1933 zunächst als Reichskommissar für den Luftverkehr, dann als Reichsminister der Luftfahrt. Gleichzeitig wurde er als Oberbefehlshaber der Luftwaffe bestellt.
Erlass vom 4.2.1938: Hitler übernahm Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht. Das bisherige Wehrmachtamt wurde unter der Bezeichnung Oberkommando der Wehrmacht (OKW) sein militärischer Stab. Der Chef des OKW, Wilhelm Keitel, war im Range den Reichsministern gleichgestellt und nahm die Geschäfte des früheren Reichskriegsministers wahr.