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Quellenkunde: Justizunterlagen zur Aufklärung von NS-Verbrechen: Der Fall Oberhauser und Dubois

 

Werner Dubois: Ausgewählte Stationen aus dem Lebenslauf und den Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen

Der Lebenslauf des Schlossers Karl Werner Dubois und der Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegen ihn und andere Beschuldigte wegen der Mitwirkung an der Ermordung hunderttausender Menschen im Vernichtungslager Bełżec stehen in mancherlei Hinsicht paradigmatisch für den Werdegang eines deutschen NS-Täters und für die justizielle Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik. Dubois‘ Leben ist geprägt durch unbefriedigende berufliche Aussichten als junger Mann, frühzeitige Gewöhnung an Massentötungen im Kontext der „Euthanasie“-Verbrechen, Hilfsdienste bei den Ermordungen in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“, kurze Zeit in amerikanischem Gewahrsam, unauffälliges Nachkriegsleben unter den Folgen einer Verwundung, späte Ermittlungsverfahren. Der Verlauf des Münchener Bełżec-Verfahrens spiegelt ebenfalls ein häufiger anzutreffendes Muster: fundierte Anklage der Staatsanwaltschaft nach Vorermittlungen der Zentralen Stelle in Ludwigsburg und zahlreichen Zeugenvernehmungen, das Landgericht weist die Anklage zurück – unter anderem wegen vermeintlichen „Befehlsnotstands“ –, die Staatsanwaltschaft erhebt erneut Anklage, doch wegen des Todes des Angeschuldigten kommt es nicht mehr zu einer Hauptverhandlung.

An dieser Stelle soll ein chronologischer Überblick über den „Fall Dubois“ gegeben werden. Die zu einigen Stationen hinterlegten Dokumente des Bundesarchivs sind in dieser Form nicht als umfassende Belege und Basis für eine vollständige Analyse des Verfahrens zu verstehen. Sie sollen aber exemplarisch zeigen, welche Art von Quellen aus Justizakten zum Verständnis des Holocausts – und des späteren Umgangs mit dem Holocaust – beitragen können und welchen Wert diese Quellen für die Forschung haben.

Das folgende Dokument präsentiert einen Zeitstrahl, der ausgewählte Stationen aus dem Lebenslauf von Werner Dubois und den Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen NS-Verbrechen enthält. Bei manchen Stationen sind kleine hochgestellte Fußnotenziffern von 1-9 aufgeführt. Die entsprechend nummerierten Dokumente finden Sie im Anschluss.

1 Freiwilliger Arbeitsdienst und Reichsarbeitsdienst (BArch B 162/3173, Bl. 1997)

2 Bei der Zentralen Stelle in Ludwigsburg wird ein Vorermittlungsverfahren wg. Tötungen im Lager Bełżec begonnen (AR-Z 252/59); nach Ermittlung des Hauptverdächtigten Josef Oberhauser am 16.2.1960 abgegeben an die Staatsanwaltschaft (StA) München I  (BArch B 162/3164, Bl. 1 und BArch B 162/3167, Bl. 607)

3 Vernehmung des Dubois am 17. September 1961 (am Tag der Bundestagswahl) durch das Bayerische Landeskriminalamt als Zeuge im Verfahren gegen Josef Oberhauser wegen Tötungen in Bełżec, infolgedessen Eintragung als Mitbeschuldigter (BArch B 162/3170, Bl. 1382 und Bl. 1400)

4 Mitangeklagt wegen Beihilfe zum Mord an 360.000 Menschen im Vernichtungslager Bełżec (StA München I 22 Js 68/61) (BArch B 162/3172, Bl. 1767 und Bl. 1771)

5 Beschluss des Landgerichts München I vom 30. Januar 1964: Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Dubois wird abgelehnt (BArch B 162/3172, Bl. 1849 und Bl. 1877)

6 Verurteilung am 20. Dezember 1966 zu 3 Jahren Zuchthaus wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 15.000 Menschen im Vernichtungslager Sobibor (Landgericht Hagen 11 Ks 1/64) (BArch B 162/14239, Bl. 2 und Bl. 5)

7 Erneute Anklage am 9. Juni 1971 wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 300.000 Menschen im Vernichtungslager Bełżec (StA München I 22 Js 68/61) (BArch B 162/3173, Bl. 1995f.)

8 Weitere Vernehmung des Dubois im Rahmen der gerichtlichen Voruntersuchung am 15. September 1971 (BArch B 162/3173, Bl. 2026 und Bl. 2032)

9 Das Ermittlungsverfahren gegen Werner Dubois wird im November 1971 bei der Zentralen Stelle in Ludwigsburg zu den Akten gelegt (BArch B 162/3173, Bl. 2074f.)